Jupp Steinbusch – der Clown

„Pipiiiie! Pipiiiie!“, schreit eine bunte Kinderschar in einem kleinen Zirkuszelt. Der Clown hält eine Puppe über eine altmodische Wasserkanne. Dann hebt er die Puppe hoch und schüttet das Wasser aus. „Die macht immer Pipi“, sagt er beiläufig und bereitet seinen nächsten Gag vor.

Juppinos Kinderzirkus Pinocchio erinnert eher an zirkus-aufbauFellinis Dorfgaukler
in La Strada als an eine professionelle Zirkusshow. Seine Witze sind kinderleicht und ohne große Sprachkenntnisse zu verstehen. Aber nicht dumm. Denn sie beziehen die Kinder auf charmante Weise ins Geschehen ein. Die Vorstellung entwickelt sich zur Mitmachveranstaltung. Am Ende stehen fast alle Kinder in der Manege. Nur Mütter und Väter sitzen noch auf den Bänken.

Im Gespräch beklagt Juppino, dass der Kreativität der Kinder meist die eigenen Eltern im Wege stehen: „Die wollen dann nicht, dass ihr Kind den Löwen spielt, sondern mindestens den Dompteur – am liebsten gleich den Zirkusdirektor.“ Der zweiwöchige Ferienworkshop für Kinder aus dem Aachener Raum hat aber nicht nur den Zweck, in den Kindern etwas zu wecken, was in ihnen steckt, anstatt ihnen überzustülpen, was Eltern gerne durch sie verwirklicht sähen. Eine große Zirkusvorstellung soll viel Geld einbringen, Geld, das „Pinocchio“ braucht, um – wie jeder echte Zirkus – auf Reisen zu gehen.

Die Reisen gehen in ferne Länder.jupp Was kann uns ferner sein als aidskranke Kinder in St. Petersburg? Oder ein Zigeunerdorf im ungarischen Koros? Juppino fährt mit seinem Zirkuszelt und zwei Helfern im VW-Bus dorthin. Ganz ohne Kinder kommt der Zirkus dort an. Denn Kinder sind ja schon da. Seit Jahren macht Juppino mit Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten Zirkus. Damit auch die von Gott und der Welt verlassenen Kinder wieder was zu lachen haben.

Die Motivation für den Sozialarbeiter im Rentenalter und ehemaligen Bewährungshelfer liegt in seiner eigenen Kindheit. Jupp Steinbusch wuchs als Sohn eines Bergarbeiters im nördlich von Aachen gelegenen, längst stillgelegten Kohlerevier auf. Theater und Oper waren etwas für feine Leute. Für die Arbeiter gab es den Zirkus. Da stapfte ein Elefant durchs Dorf, da wussten alle, dass der Zirkus wieder da war.

Heute wollen die jungen Leute um jeden Preis durch das Fernsehen berühmt werden, damals war es noch der Zirkus, der die weite Welt ausstrahlte. Selbst in der Zirkuskuppel zu stehen, blieb für Jupp Steinbusch ein Traum – sein ganzes Arbeitsleben lang. Als Sozialarbeiter und Bewährungshelfer war er vom bezaubernden Staub der Manege Meilenweit entfernt.traenen-bild

Aber im Alter kommen bekanntlich nicht nur die Träume, sondern auch die Traumata der Kindheit mit aller Kraft zum Vorschein. Jupp Steinbusch war zehn Jahre alt, er seinen besten Freund durch eine Handgranate verlor. Per Zufall spielte er in jenen Augenblick nicht mit ihm. Er tobte gerade auf einer nahe gelegenen Wiese und spielte Fußball, als er den Knall und die Schreie hörte. Dann ist er dahin gelaufen, wo sich bereits viele Menschen versammelten. Sein Freund war mit der Handgranate in tausend Stücke zerrissen worden.Im Rentenalter angekommen, verbindet Jupp Steinbusch beide prägenden Kindheitserlebnisse. Der Traum vom Zirkus kommt direkt zu den traumatisierten Kindern der modernen Kriegsgebiete.